Tom Stone zum Merlin Award: Genug ist genug!

Foto: Taylor Wong

Der "Merlin Award" spaltet seit einigen Jahrzehnten die zaubernde Zunft. Verleiher und Jury sollen "abstimmende Mitglieder" der möglicherweise 1968 gegründeten "International Magicians Society (IMS)" sein. Insgesamt hat die Gesellschaft laut eigener Website 41.000 Mitglieder. Auf dieser Website heißt es außerdem: "Der Merlin Award ist für die Magie das, was der Oscar für den Film, der Emmy fürs Fernsehen und der Tony für das Theater ist. Einige der Preisträger des Merlin Awards sind: Harry Blackstone, Doug Henning, Channing Pollack, Siegfried & Roy, Penn & Teller, David Copperfield, Milt Larsen, Criss Angel, Shin Lim, Banachek, Lu Chen und Luis de Matos." In dieses Who is Who der Zauberkunst reiht sich auch Tom Stone ein, einer der bekanntesten Schwedischen Zauberkünstler und Träger des FISM Creative Fellowship Awards.

Auf seinem Blog hat er nun allerdings einen sehr langen Artikel mit vielen Hintergrundinformationen zum Merlin Award und dem IMS-Gründer Tony Hassini veröffentlicht und sich von dem Preis distanziert. Tom Stone schreibt:
"Im Jahr 2014 erhielt ich den Merlin Award für den “Best Cabaret Act of the Decade”. Ich habe den Preis gegen meinen Willen bekommen. Ursprünglich hatte ich nicht die Absicht, jemals darüber zu sprechen, aber vor kurzem entdeckte ich, dass Tony Hassini, der Urheber des Fake-Preises, ein Foto des Vorfalls auf seiner Website gepostet hatte, so dass ich mich nun aus reiner Selbstverteidigung gezwungen sehe, etwas darüber zu sagen."

Den englischen Originaltext finden Sie auf Tom Stones Website. Hier folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.
 

Tom Stone beginnt mit Gedanken zu Sinn und Zweck von Auszeichnungen und Ehrungen:
"Um ganz ehrlich zu sein, habe ich mich nie besonders für Auszeichnungen und Ehrungen interessiert. Die Arbeit selbst ist ihre eigene Belohnung. Ich bin zwar ein großer Befürworter der Wettbewerbsmagie und ihrer Vorteile, aber es ging mir immer mehr um die eigentliche Arbeit, also den Prozess, innerhalb einer strikten Frist kreative Lösungen zu finden, als um die Beurteilung und Vergabe von Punkten und Preisen. Ich habe im Laufe der Jahre selbst ein wenig an Wettbewerben teilgenommen. Aber obwohl einige Trophäen in meinem Bücherregal verstauben, weiß ich nicht mehr, wo, wann oder warum ich sie bekommen habe. Die Arbeit, die ich geleistet habe, war wichtig, die Trophäen waren es weniger.

Unabhängig davon, wie viel oder wie wenig Prestige man dem Gewinn eines magischen Preises beimisst, steckt dahinter immer eine ernsthafte und ehrliche Absicht. Einen Preis kann man nicht kaufen. Es ist nicht möglich, eine Auszeichnung mit betrügerischen Mitteln zu erlangen, die Beweggründe für die Auszeichnungen sind immer transparent, dokumentiert und können einer Überprüfung standhalten... mit einer deutlichen Ausnahme, (...) dem sogenannten Merlin Award. (...).

Es folgen Infos zum Design der Merlin Award-Statue (laut Website aus einem Wettbewerb mit 100 Kunststudierenden hervorgegangen, laut Stones Recherchen von Hassinis Partnerin entworfen), einer möglicherweise frei erfundenen Europatournee und Hassinis Stationen als Musikproduzent, Werbefachmann und Filmproduzent sowie die Feststellung, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass die IMS vor 1994 überhaupt existierte. Auch die Mitgliederzahl bezweifelt Stone:

"Wenn Sie vor 25 Jahren ein einziges Hassini-Video gekauft haben, werden Sie auch heute noch als aktives Mitglied gezählt. Sie werden nicht aus der Mitgliederliste gestrichen, selbst wenn Sie sterben. Im Jahr 1998 behauptete Hassini, dass er seit dem Start 4 Jahre zuvor 20 000 neue Kunden hatte. Lassen Sie uns diese Zahl ins rechte Licht rücken - Hassini und IMS sind nur eine Person. Und das Verfahren besteht darin, dass das potenzielle Mitglied mit einem Brief sein Interesse bekundet. Hassini erhält den Brief und öffnet ihn. Er kopiert die persönlichen Daten in ein Antwortschreiben mit Zahlungsinformationen. Wenn die Zahlung eingegangen ist, wird das Startpaket zusammengestellt (Ordner, zwei Videos, ausgefüllte und laminierte Mitgliedskarte, ausgefülltes Diplom), eingepackt und zugeklebt und bei der Post aufgegeben. Wir können davon ausgehen, dass der gesamte Vorgang mindestens eine halbe Stunde pro "Mitglied" dauert. Bei 20.000 Mitgliedern sind das 10.000 Stunden. Wenn man davon ausgeht, dass er 12 Stunden pro Tag arbeitet, jeden Tag in der Woche, ohne Pause, dann ist das eine ununterbrochene Arbeit von 30 Monaten oder 2,5 Jahren. Die Behauptung ist völlig unrealistisch. Zum Vergleich: "The International Brotherhood of Magic" - die weltweit größte Zaubervereinigung, die seit 1922 besteht und 88 Untergliederungen in der ganzen Welt hat - kommt auf insgesamt etwa 15.000 Mitglieder, die tatsächlich existieren.

Es folgen weitere Ungereimtheiten, wie schlecht gephotoshopte Außenansichten der IMS-eigenen “Magic Academy”, nicht existente Einträge im Guinness Buch der Rekorde, verstorbene Jurymitglieder, die weiterhin Briefe unterschreiben und dubiose Geschäftspraktiken mit Lizenzen für Zaubervideos. Schließlich schildert Stone den Ablauf der Verleihung eines der ersten Preise an den schwedischen Zauberkünstler Joe Labero:

"Joe Labero und sein Team waren gerade dabei, für den Herbst 1998 die Premiere einer großen Illusionsshow in Göteborg vorzubereiten. Labero und sein Team waren klug genug zu verstehen, worum es ging. Sie erkannten sofort den PR-Wert, den die Verleihung einer goldfarbenen Statue im Zusammenhang mit der Premiere hatte... (...) Es wäre zweifellos exotischer und aufregender, wenn ein Amerikaner den Preis überreichen würde. Gesagt, getan - man setzte sich mit Hassini in Verbindung, flog ihn ein und am Eröffnungsabend rollte er in einer Limousine direkt vor den Augen der Presse zum Eingang, was die Illusion, Hassini sei ein VIP aus den USA, glaubhaft machte. Die ganze Sache mit den Flügen, den Luxushotels, den Limousinen, der VIP-Behandlung etc. hat Hassinis Appetit auf Aufmerksamkeit angeheizt. In vielerlei Hinsicht war dieser Besuch in Schweden der Hauptauslöser dafür, dass Hassini sich von diesem Zeitpunkt an mehr auf die Verleihung von Fake-Preisen und weniger auf den Verkauf von Videos konzentrierte."

Besonders spannend ist Tom Stones Schilderung, wie er 2014 auf einem Kongress in Kroatien zu "seinem" Merlin Award kam. Am Ende seines Auftrittes in einem Einkaufszentrum gab es einen anständigen Applaus ...
... "der sofort von Hassini unterbrochen wurde, der ohne Vorwarnung mit einem Mikrofon auf die Bühne rannte und verkündete, er habe entschieden, dass ich der "Beste Cabaret Act des Jahrzehnts" sei, mir einen Preis in die Hand drückte und sich dem Fotografen zuwandte, der schnell ein Foto machte. Und dann nahm er den Applaus entgegen, der eigentlich für mich bestimmt war, während ich perplex hinter ihm von der Bühne ging und mich fragte: "Was zum Teufel ist da gerade passiert?". Offenbar ist dies eine Taktik, die er oft anwendet - er überfällt bekannte Magier mit seiner "Auszeichnung", um die Illusion von Legitimität zu erzeugen, damit es einfacher wird, die "Auszeichnung" an andere zu verkaufen. Schauen Sie sich Fotos von Menschen an, die den Preis erhalten, und Sie werden sehen, dass etwa die Hälfte von ihnen einen überraschten Gesichtsausdruck hat, als ob sie überrumpelt sind und nicht recht wissen, wie sie reagieren sollen."

Zum Abschluss fordert Tom Stone die Preisträger dazu auf, sich von ihren Preisen zu distanzieren:
"Viele derjenigen, die darauf hereingefallen sind, dass der Merlin ein echter Preis ist, haben heute die Information, dass sie ihn erhalten haben, vollständig entfernt, weil sie nicht für jemanden gehalten werden wollen, der einen Fake-Preis kauft. Viele schweigen darüber, weil sie es peinlich finden, dass sie sich haben täuschen lassen. Das ist eine große Schande, denn das Schweigen trägt dazu bei, dass die Lüge als Realität erscheint. Der Merlin Award ist ein Krebsgeschwür in der Welt der Magie. Er muss abgeschafft werden. Bald, am 25. Juli 2022, wird die FISM 2022 Weltmeisterschaft in Québec, Kanada, beginnen. Erfahrene und ehrgeizige Künstler aus der ganzen Welt haben sich jahrelang darauf vorbereitet und Energie und Geld in die Schaffung origineller und persönlicher Werke investiert. Eine Auszeichnung durch die FISM ist eine Weltklasseleistung, die Respekt und Bewunderung verdient. Wenn jemand mit irgendwelchem Schrott daherkommt und behauptet, er habe das "Äquivalent zu den Oscars in der Zauberwelt" erhalten, dann sollte das nicht unwidersprochen bleiben, sondern sofort abgeschmettert werden.
Natürlich sind kollegialer Respekt und Solidarität gut, aber sie sollten nicht dazu führen, dass der Ruf derer, die verdienstvoll genug waren, um echte Auszeichnungen zu erhalten, in den Schmutz gezogen wird. Genug ist genug."

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